Der ICE Flirt

Es ist 7.45 Uhr und ich stehe am Bahnsteig und warte auf den ICE. Mir fällt eine junge Dame auf, die nicht weit entfernt von mir steht. In einer beigen Jacke hatte sie die Kapuze über ihrem Kopf und mir fielen die grauen Winterstiefel auf. Sie warf mir einen kleinen Blick zu und ich war leicht beeindruckt. Viel Zeit zum Überlegen blieb mir aber nicht, denn die Durchsage aus den Lautsprechern erklang, dass der ICE in wenigen Minuten einfuhr. Es war der letzte kleine Blick, indem sie mich kurz musterte und dann fuhr der ICE auch schon ein. Ein doppelter ICE mit rund 10 Wagen und ich konzentrierte mich auf einfahren, einsteigen, Platz suchen oder erstreiten. Streiten? Ja, mit der netten Zicke, die bereits mit ihrem Freund auf meinem Platz saß. Ich sagte: „Sorry, da sitze ich“. Da kam als Antwort: „Das glaube ich nicht“ und anstatt sich für die zickige, schnippische Antwort zu entschuldigen, kam nur „ach dann ist der vordere Platz wohl unserer“.

Jetzt kurz mal nachdenken und sich umschauen. Ihr werdet es nicht glauben, ihr denkt, ich setze sie im ICE – mit Unmengen an Sitzplätzen – genau neben mich! Aber es ist tatsächlich so passiert, nicht direkt neben mir, sondern genau auf der »anderen Seite«. Sie saß genau einen Sitz von mir entfernt und ich habe wirklich gedacht, so viel Zufall und Schicksal an diesem Tag, kann doch echt nicht normal sein. Ich hätte sie also die ganze Zeit anblicken können. Ihr leichtes blondes Haar, ihre süße Figur und ihre lockere Erscheinung. Es ist Wahnsinn, dachte ich mir. Ich war bereits leicht aufgeregt, denn so etwas passiert einem nicht alle Tage. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und schnappte mir mein Smartphone und sie tippte auf ihrem Handy herum …

Wir fuhren also beide im ICE und ich wusste, dank des Schildes der Reservierung, wusste ich wohin sie fuhr. Ich war aufgeregt wie ein kleines Kind und versuchte immer mal wieder einen Blick von ihr zu erhalten. Diesen schenkte sie mir auch, so intensiv, dass diese 3 Sekunden, unseres intensiven – wirklich tiefen Blickes, unglaublich, aufregend und atemberaubend sich anfühlte. Und sich anfühlte wie eine ganze Minute. Es waren aber nur 3 Sekunden, die für mich aber bereits eine unglaubliche Lawine in meinem Körper ausgelöst hatte. Dieser Blick war unvergesslich und hatte sich bereits in mein inneres Auge gebrannt. Sie hätte überall sitzen können, aber ihre Reservierung stimmte mit meiner überein, sodass wir eine Linie zu einem Blickkontakt hatten. Es war einfach Schicksal. Ich dachte mir, wie ich damit nun umgehe. Wir kamen am nächsten Bahnhof an und es stiegen weitere Leute zu. Sodass ihr noch freier Platz und mein freier Platz, leider die Sicht aufeinander versperrten. Immer wieder versuchte ich einen Blick von ihr zu bekommen, diesen intensiven Moment noch einmal zu erfahren und zu spüren. Es war aber nicht mehr so einfach wie davor. Sie las mittlerweile in ihrem E-Book-Reader und ich musste mir etwas überlegen. Ich nahm ein Stück Zettel und darauf schrieb „Normalerweise mache ich so etwas nicht, aber dich möchte ich unbedingt kennenlernen. Ich würde mich freuen: 0163-xxx“. Da dachte ich mir, diesen Zettel gebe ich ihr dann bei ihrem Ausstieg. Aber es kam dann doch etwas anders, – wie immer – als man erwartet.

Im ICE erklang es vom Zugbegleiter „Sehr verehrte Fahrgäste, in wenigen Minuten erreichen wir …“. Das war der Startschuss, für die süßeste Begleitung, die ich je durch Zufall getroffen hatte. Denn ihr Ausstiegsziel war jetzt gleich da. Ich hatte zu meiner Sitzpartnerin gesagt, ob ich mal durch könnte, denn ich saß am Fenster und so lief ich ihr hinterher zur Ausstiegstür des ICE. Völlig unüberlegt, sprach ich sie an. „Darf ich dich fragen, wie du heißt?“, „Steffi“ gab sie etwas schüchtern und irritierend zur Antwort. Ich stellte mir nichts vor, ich hatte auch überhaupt nichts geplant oder mir zurechtgelegt. Immerhin wäre es ja nur höflich gewesen, wenn ich mich auch vorgestellt hätte. Ich sagte: „Darf ich fragen, wie alt du bist?“ Sie antwortete etwas entgeistert, „21“. Ihr Stimme klang so sanft und beruhigend. So angenehm und schön. Man konnte nur ihrem Klang lauschen und ich war bereits wie in einer Art »Flirt Trance«. Ich kann euch gar nicht mehr sagen, welche Augenfarbe sie hatte, sie hatte mich einfach mit ihrer Erscheinung bereits so begeistert und ihre blonden Haare, die so leicht gefallen sind, mit einem schulter langen Schnitt. Ihr Outfit und positive Art oder Ausstrahlung, mit ihren leicht betonten Wimpern, haben mich einfach nur reden lassen. So fragte ich weiter: „Du wohnst in hier? Und besuchst du jemanden dort?“, ihre Antwort war: „ja, zu meinem Freund“, mit einem verschmitzten Lächeln, das wohl bedeuten sollte „es tut mir leid“. Ich sagte daraufhin „Kein Problem, ich war einfach so beeindruckt, dass wir uns am Bahnsteig gesehen hatten und du dann fast direkt neben mir gesessen bist, obwohl dieser ICE unglaublich viele Sitzplätze hat. Dann wünsche ich dir viel Spaß und hat mich gefreut“.

Nein, ich war nicht enttäuscht oder traurig, ihr Freund kann sich glücklich schätzen und ich hoffe sehr, dass er dies auch – fast täglich – tut. Ich ging auf die Toilette, nahm den Zettel, zerriss ihn und schmiss ihn weg. Nur aussteigen, habe ich mir gedacht, musste ich nun nicht sehen, wie sie das tat. Wie sie vielleicht von ihrem Freund am Bahnsteig schon erwartet wird. Das hätte mich dann vielleicht doch eine kleine Träne gekostet. Denn bis hierhin hatte sie mir für diesen Tag eine unglaubliche Energie geschenkt, sie hatte mir den Tag versüßt (ich ihr wahrscheinlich auch) und mir so viele Schmetterlinge geschenkt, dass ich bereits gefühlte 5 kg abgenommen habe. Es war wie, als hätte ich eine Zugfahrt durchlebt, die ich irgendwie schon einmal hatte. Mich aber beim letzten Mal nicht getraut hatte, »sie« anzusprechen. Als hätte ich sie bereits ein Jahr zuvor, schon einmal, an diesem Platz gesehen und als wären wir uns schon einmal, genau so begegnet. Es war (etwas) mysteriös.

Ich habe mir das gar nicht mehr zugetraut, habe gedacht, flirten könnte ich gar nicht mehr. Sie hatte mir gezeigt, es war möglich und wenn ich von einer Dame wirklich beeindruckt bin, dann schaffe ich es auch sie anzusprechen. Für die ganze Energie an diesem Morgen war Steffi verantwortlich. Ich fand es schön (auch wenn es nur ein so kurzes Gespräch war), aber ein so schöner – besonderer Moment und mit einer so tollen Frau. Sie hatte mich herausgefordert, dass ich es beweisen konnte, ich kann kommunikativ sein und habe das Flirten nicht verlernt. Auch wenn ich an meiner Gesprächsqualität noch etwas feilen kann. Es hat mir viel Freude bereitet.

Danke, Steffi!


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